In einem großen Wald, mit mächtigen Bäumen, da gab es auch ein kleines Bäumchen. Es stand mitten zwischen seinen Brüdern und war traurig. Oder zornig? Oder wütend? Oder hilflos?Oder..? Na egal. Er war von allem etwas. Warum, wirst Du dich fragen. Ich werde es Dir sagen. Das kleine Bäumchen wuchs nicht.
Nein, es war nicht krank. Es wollte auch wachsen. Aber es ging einfach nicht. Es hatte keinen Platz sich zu entfalten.
“Hey”, rief es zu seinen großen Brüdern nach oben,
“Hey, macht Platz ihr dicken Brummer. Ich brauche Licht und Wasser. Sagt doch was! Redet mit mir”
Doch die anderen Bäume blieben stumm. Majestätisch und erhaben reckten sie ihre Äste dem Himmel entgegen und sahen das
Bäumchen einfach nicht. Das machte das Bäumchen immer ganz fuchs-teufelswild.
” Ich bin hier unten. Ich bin einer von euch. Ich will auch den Himmel sehen. Das klare Wasser trinken. Ich will ein Nest in meinen Zweigen. An mir knappern immer die Rehe. Das tut weh. Geht beiseite ihr aufgeblasenes Brennholz.” Beschwerte es sich lautstark.
Aber wir wissen ja, dass Bäume nicht gehen können und so konnten die Großen dem nicht folgen, was er wollte. Und hätten sie es gekonnt, sie hätten es nicht getan
So nörgelte und quengelte und schimpfte das Bäumchen den ganzen Tag.
Es hatte ja auch Recht. Wenn die Sonne schien, kamen nur ganz wenige Strahlen zu ihm hinunter. Sie konnten durch das große Blätterdach seiner Brüder nicht zu ihm dringen. Nur ab und zu streifte ihn etwas Licht, gerade so viel, dass es nicht verhungerte. Denn die Sonne ist die Nahrung der Bäume
Die Tiere aus dem Wald waren nicht so groß, dass sie an die Blätter seiner großen Brüder reichten. Bei ihm fanden sie aber genügend Nahrung und zerrupften ihn wo immer sie konnten. Er sah schon sehr erbärmlich aus.
Wollte das Bäumchen seine Wurzeln ausstrecken um nach Wasser zu suchen, ging das auch nicht, denn immer waren schon viel dickere und stärkere Wurzeln da.
So ging das Tag für Tag, Jahr für Jahr. Das Bäumchen wuchs nicht und wurde immer trauriger. Nur noch selten sprach es zu seinen Brüdern. Und nur noch ganz leise. Denn es hatte keine Kraft mehr.
” Bitte, ihr großen und starken Bäume. Bitte lasst mir auch ein Stück zum Leben, Seht mich doch an. Zerbissen sind meine Ästlein und ganz trocken ist meine Rinde. Verwelkt sind schon meine wenigen Blätter.”
Doch die Bäume hörten ihn nicht. Zu groß war ihr Stolz, und zu klein das Bäumchen.
Da resignierte das Bäumchen und schloss mit dem Leben ab.
Doch da, unerwartet, neue, nie im Wald gehörte Geräusche waren zu hören.
Das war ein quietschen und kreischen. Ein rasseln und stampfen. Ein brummen und krachen. Die Luft wurde blau und grau und dick. Unbekannte Tiere, die nur auf zwei Füßen gingen und ein buntes Fell hatten kamen direkt auf das Bäumchen und seine Brüder zu.
Das Bäumchen kannte noch keine Menschen und wusste nicht, was diese Wesen wollten. Sie gingen zu den Bäumen, umkreisten jeden einzelnen und malten dann auf die starken Bäume dicke Kreuze. Nur auf das kleine Bäumchen malten sie keines. Das Bäumchen war einerseits froh, dass es in Ruhe gelassen wurde, anderseits aber auch etwas neidisch da es wieder keine Beachtung gefunden hatte.
Nach einer kurzen Zeit gingen die Menschen wieder, die Geräusche verstummten und der Gestank verschwand. Es zog wieder Ruhe in den Wald ein.
Unser Bäumchen wurde schwächer und schwächer. Der Winter kam und ging.
Als das Frühjahr heranzog, kamen auch die Menschen wieder. Und mit ihnen große Ungetüme von Maschinen. Sie kamen auch zu unserem Bäumchen und seinen Brüdern. Unvermittelt hörte man einen hohen singenden Laut. Der erste Baum begann zu fallen. Erst ganz langsam aber dann immer schneller. Mit einem donnernden Schlag lag er auf den Boden. Dann fiel der zweite, der dritte und…..
So ging es weiter bis alle Bäume auf dem Boden lagen. Alle ? Nein ! Unser Bäumchen stand immer noch da. Voller Angst. Aber es stand. Andere Maschinen zerrten und schleiften die gefällten Bäume weg. Und es war wieder ruhig. Das Bäumchen zitterte noch ein Weilchen, denn es fürchtete dass die Menschen zurückkämen und es auch holen würden.
Doch nichts passierte. Das Bäumchen sah sich um. Die großen waren alle weg. Und es wurde noch trauriger. Denn, obwohl sie nicht mit ihm gesprochen haben, so waren sie doch da gewesen.
Halt! Was war denn das? Es fühlte auf seinen Ästen, Zweigen und Blättern etwas Warmes und Sanftes. Das hatte es früher nur ganz selten gespürt. Es sah nach oben. Kein Schatten mehr. Das Blätterdach seiner Brüder war weg. Nur auf ihn schien die Sonne. Und da. Als es seine Wurzeln streckte war kein Widerstand mehr zu spüren. Es konnte sich dehnen wie es wollte. Und das Bäumchen entspannte sich. Denn es wusste, dass jetzt alles gut würde. Es durfte wachsen. Als es sich umblickte erkannte es, dass es nicht allein war. Noch viele andere kleine Bäumchen standen um ihn herum. Es hatte sie früher nicht erkannt. So beschäftigt war es mit sich selbst. Und so verdeckt waren sie von den Großen
Es war eine Fröhlichkeit um ihm herum. Die Bäumchen redeten, wie nass doch das Wasser ist, wie sonnig die Sonne, wie windig der Wind und wie groß die Welt doch sei. Im Laufe der Jahre wurden sie aber immer stiller. Und auch unser Bäumchen, das am meisten redete, verstummte allmählich. Was gab es auch noch zu sagen. Es spürte die Kraft in sich, es streckte sich immer höher der Sonne entgegen und war voller Stolz, dass es der größte Baum weit und breit war.
Es überblickte alle Bäume und konnte sogar den Horizont sehen.
Hier könnte unsere Geschichte enden. Das Bäumchen wurde zum Baum, und alles war gut.
Aber leider ist es nicht so. Die Winter wechselten mit den Sommern. Die Zeit schien stillzustehen und gleichzeitig endlos zu sein. Da hörte unser Baum eine Stimme.
” Hey, Hey du da oben, hörst du mich? Sag was Großer.” Der Baum war verwundert. Wie lange herrschte in dem Wald diese große Stille? Und jetzt das. Der Baum schielte verstohlen nach unten. Da stand ein mickriges kleines Bäumchen und wetterte. ” Hey du großer dicker Holzklotz. Mich gibt es auch noch. Gib mal ein paar Töne von dir. ” Und so weiter und so fort. Aber unser Baum kümmerte sich nicht darum. Er wusste ja, dass dieser Kümmerling nur ein Ableger war. Nicht wert, dass man sich damit abgeben muss. Es weiß halt nicht, wie es ist, so groß und überragend zu sein. Da ihn aber das Gekeife und Jammern des Kleinen furchtbar störte, beschloss es für eine Weile auf das Hören zu verzichten.
Bäume können das. Mit sich zufrieden und nur auf das Große achtend stand er lange Zeit, tief verwurzelt da. Nach einiger Zeit entschied er sich, nach dem Bäumchen zu schauen. Er sah es auch. Aber er sah noch mehr. Auf den anderen Bäumen waren Kreuze gemalt. Er überlegte, aber wusste nicht mehr worum es dabei ging. Er sah an sich herab und erschrak. Er hatte auch so ein Kreuz. Ein besonders großes sogar. Er wollte das Bäumchen fragen, wer denn das da hingemalt hatte. Die lange Zeit des Stummseins hat ihn die Baumsprache vergessen lassen, und das Bäumchen sprach nicht mehr. Doch da, die Geräusche kamen ihm bekannt vor.
Und die Wesen auf zwei Beinen ebenfalls. Und jetzt wusste er, und wir wissen es auch, wie diese Geschichte endet